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Schweizer Blasmusik-Dirigentenverband

Blasorchester

Die Zukunft liegt in neuer Musik

30. September 2025
von Theo Martin
Mit dem Projekt «Sounds of Norway» eröffnet das Sinfonische Blasorchester aulos seine Saison 2025/2026 und präsentiert zum Saisonauftakt ein Programm, das musikalisch neue Wege beschreitet.

Unter der Leitung von Bjørn Sagstad bringt das Orchester Aulos norwegische Originalwerke zur Schweizer Erstaufführung. Ergänzt wird das Programm durch eine Uraufführung des Klavierkonzerts vom Schweizer Komponisten Ralph Bernardy. Solist ist der mehrfach ausgezeichnete Pianist Leonhard Dering.

Dass der Saisonauftakt ganz im Zeichen Norwegens steht, ist kein Zufall: Mit Bjørn Sagstad hat das aulos einen Dirigenten eingeladen, dessen musikalische Wurzeln eng mit der skandinavischen Tradition verbunden sind. Wo liegen diese Wurzeln, welche Bedeutung hat die zeitgenössische Musik für ihn und was ist seine Vision für die Zukunft der Blasmusik? Darüber haben die Organisatoren des Blasorchesters mit ihm gesprochen. Wir drucken das uns zur Verfügung gestellte Interview hier gerne ab.

 

 

Du leitest im Herbst die Musikwoche und die anschliessenden Konzerte des sinfonischen Blasorchesters aulos, welches eine «Reise nach Norwegen» unternimmt. Welche Bedeutung hat es für dich, Musik aus deiner Heimat hier in der Schweiz aufführen zu dürfen?
Bjørn Sagstad: Es bedeutet mir sehr viel, meine «eigene Musik» in die Schweiz zu bringen, die inzwischen auch meine zweite Heimat ist. Musik meiner Kolleg:innen, Freund:innen und Mitmusikerinnen und Musiker aus Norwegen hier erlebbar zu machen, ist für mich das Schönste, was ich tun kann.

Wenn du auf die aktuelle Blasorchesterszene in der Schweiz und in Norwegen blickst, wo siehst du Gemeinsamkeiten, wo Unterschiede?
Zwischen der Blasorchesterszene in Norwegen und der Schweiz gibt es viele kulturelle Parallelen – mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Vielleicht, aber nur vielleicht, hat sich das norwegische Blasorchesterrepertoire etwas früher und stärker mit Originalkompositionen entwickelt als in der Schweiz. In Norwegen sind wir sehr stolz darauf, unsere eigene Originalmusik zu präsentieren. Hoffentlich kann dieses Konzert das widerspiegeln.

Mit der Uraufführung des neuen Klavierkonzerts von Ralph Bernardy wagt das aulos einen wichtigen Schritt in der Förderung neuer Literatur. Wie schätzt du die Rolle zeitgenössischer Werke für die Entwicklung der Blasorchesterszene ein?
Ich halte das für entscheidend. Es gibt keine Alternative zur Weiterentwicklung, ausser neue Werke zu spielen, zu beauftragen und zu entwickeln. Ich habe die Haltung, dass in jedem Konzert, das ich dirigiere, zumindest ein Werk aus unserer eigenen Zeit und Generation vertreten sein sollte. Das ist für mich eine Form des Respekts – gegenüber uns selbst und der Zeit, in der wir leben.

Du bist einer der wenigen Dozenten für Blasorchesterdirektion in der Schweiz. Was reizt dich besonders an dieser Aufgabe, und welche Rolle spielt die Ausbildung junger Dirigent:innen für die Zukunft der Blasmusik?
Ich habe mich selbst nie als typischen «Blasorchesterprofessor oder -dirigenten» gesehen. Ich lehre Musik, ich atme Musik, ich lebe in und mit Musik – in jeder Form – jeden Tag meines Lebens. Das ist mein Leben. Aber dieses Leben ist nun einmal stark mit der Blasorchesterszene verbunden, und darauf bin ich stolz. Ich glaube, das hängt auch damit zusammen, wann und wo ich geboren wurde, und mit den Möglichkeiten, die ich hatte – sei es in Blasorchestern, Brass Bands, Big Bands usw.
Was mich an meiner Aufgabe reizt, ist die Chance, meinen Studierenden etwas von dem weiterzugeben, was ich selbst bekommen habe – und sie dazu zu bringen, sich auf die Idee einzulassen (und sich hoffentlich in sie zu verlieben), dass die Zukunft in der Suche nach und im Auftrag von neuer Literatur liegt. Ich glaube, es ist wichtiger, Geschichte zu schreiben, als nur über Geschichte zu lernen... oder zumindest ein Gleichgewicht zwischen beidem zu finden.

Die Zusammenarbeit von aulos mit Hochschulen im Rahmen der «Swiss Conducting Days» ist ein Novum. Welche Chancen eröffnen sich dadurch für die Studierenden und für die Blasorchesterlandschaft insgesamt?
Das ist eine grossartige Idee. Die Studierenden – und wir alle – müssen unser eigenes Klangideal entwickeln. Das geht nur, indem man den besten Ensembles zuhört und mit ihnen arbeitet. Es ist wie mit einem «himmlischen Klang»: Wenn du ihn einmal gehört oder erlebt hast, möchtest du dein Leben lang immer wieder zu ihm zurückkehren. Das wird zu deinem Ideal, zu deiner Kultur, zu dir selbst. Damit wirst du ein aktiver Teil der «Marke» deines Ensembles und kannst es vorwärtsbringen.

Blasorchester sind oft stark in der Amateurmusik verankert. Welche Möglichkeiten siehst du, Brücken zwischen Hochschulausbildung, professionellen Projekten wie aulos und der breiten Vereinslandschaft zu bauen?
Wir sind alle Amateure – in einem positiven Sinn. Wir kommen alle «von zuhause». Ein so hervorragendes Ensemble wie aulos zu haben, bedeutet sehr viel für alle – vielleicht mehr als wir, die Musikerinnen und Musiker von aulos und wir Dirigentinnen und Dirigenten, denken. Jeder braucht jemanden oder etwas, zu dem er aufschauen kann. Hoffentlich sind wir für einige da draussen dieses «Himmelreich». Ehrlich gesagt habe ich einige meiner schönsten Musikerlebnisse mit Amateuren gehabt – wenn es keine Grenzen, keine Angst, kein Zögern gibt, sondern nur positive Energie und ehrliches musikalisches Erzählen. Für mich ist es deshalb gar nicht so anders, mit Amateuren oder Profis zu arbeiten. Wir haben genau dasselbe Ziel und ein grosses Herz für die Musik. Der grösste Unterschied liegt wohl im Niveau und in den Herausforderungen der Werke selbst. Manchmal ist aber nicht einmal das unterschiedlich...

Was wünschst du dir für die Zukunft der Blasorchesterkultur in der Schweiz – und welchen Beitrag möchtest du persönlich dazu leisten?
Meine Hoffnung für die Zukunft ist, dass die Schweiz die Führung übernimmt in der Förderung von Werken ihrer eigenen Komponist:innen – aus der eigenen Kultur, Tradition und Zeit. Mein grösster Beitrag wird sein, meine Studierenden dazu zu ermutigen, selbst zu Menschen zu werden, die Veränderungen bewirken können – Veränderungen durch Wissen und durch die Ausbildung in meinen drei Schwerpunkten: Musik, Organisation und psychologische Aspekte des Berufs. Und im Grunde inspiriere ich sie hoffentlich dazu, gute Menschen zu werden. Ausserdem bin ich in der Schweiz auch regelmässig als Gastdirigent, Juror oder Referent
unterwegs – und hoffe, dadurch meine Leidenschaft für Musik und Menschen
weiterzugeben.

Erleben Sie das Sinfonische Blasorchester aulos mit «Sounds of Norway» unter der Leitung
von Bjørn Sagstad im Konzert:
• 09. Oktober 2025, 19 Uhr, Mehrzweckhalle Visperterminen
• 11. Oktober 2025, 19.30 Uhr, Podium Düdingen
• 12. Oktober 2025, 17 Uhr, Le Théâtre Emmenbrücke

Aulos - ©Dominik_Baumgarten

Dering _ ©Eri_Mantani