Drei Fragen an Stefanie Hänni
Die Maestro-Redaktion gibt jeweils externen Fachleuten eine Carte Blanche. Vorab veröffentlichen wir hier jeweils drei Fragen mit dem Autor.
Kurzinterview mit Stefanie Hänni:
Ich besuche Blasmusikkonzerte, weil ….
… mir die Blasmusik grosse Freude bereitet. Egal welche Stile, welche Komponisten, Arrangeure gespielt werden oder in welcher Stufe musiziert wird, das Wichtigste ist die Freude am Musizieren, die auf das Publikum überspringt. Leider kann ich aufgrund meiner vielen Aktivitäten in Musikvereinen und Verbänden, meiner Arbeit an der Musikschule und als Dirigentin nur sehr selten noch zusätzliche Konzerte besuchen. Am liebsten spiele ich selbst mit oder dirigiere die Konzerte oder halte mir auch den Abend für anderes, wie Familie, Freunde oder auch mal ein anderes Konzert frei.
Die Entwicklung der Blasmusik macht mir (keine) Sorgen, weil …
… Die Entwicklung der Blasmusik bringt grosse Herausforderungen, die wir als Gesellschaft meistern müssen. Die Schnelligkeit, Diversität und Vielfältigkeit der Gesellschaft, aber auch verschiedene Systeme wie Bildung und Politik beeinflussen unsere Blasmusik. Die Blasmusik hinkt diesen Entwicklungen oft einen Schritt hinterher, sei es in der nachhaltigen Rekrutierung oder Ausbildung von Nachwuchs, Entwicklung neuer Angebote für bestehende Musizierende oder allgemein in der Vereins- oder Verbandsstruktur. Immer mehr Blasmusikvereine zeitigen einen Mitgliederschwund, es werden Spielgemeinschaften gegründet, weil ein einzelner Verein in einem Dorf nicht mehr bestehen kann, oder sie gründen Projektbands. Projekte und gute Ideen werden von einzelnen Personen oder Vereinen sowie Verbänden umgesetzt, gelangen aber nicht an die Masse oder sie behalten es für sich (Gärtchendenken). Das Wissen um bestimmte Sachverhalte, Vorgehensweisen für Projekte oder Ideen fehlen. Finanzielle Mittel zur Realisation guter und sinnvoller Projekte fehlen oder deren Organisation wird immer schwieriger bzw. das «Gewusst wie». Immer weniger ehrenamtliche Funktionärinnen und Funktionäre in der Blasmusikszene können aufgrund Belastung und Zeitmanagement gefunden werden. Diesen Herausforderungen müssen sich alle, die in der Blasmusik tätig sind – sei dies nun als Amateur oder beruflich – bewusst werden und stellen. Lobbying in der Politik, Zusammenarbeit mit verschiedenen (Bildungs-)Partnern und das gemeinsame Lernen und Vorwärts- statt Rückwärts-Denken sind unabdingbar. Diese Herausforderungen meistern wir nur gemeinsam und mit einer Offenheit gegenüber verschiedenen Trägerinnen in der Blasmusik ...
Die Blasmusik ist ein Kulturträger …
… und Teil unserer Volkskultur. Kultur zeigt sich für mich in einer grossen Vielfalt von Ausdrucksformen, wie dies auch die IG Volkskultur schreibt: Musizieren, Singen, Tanzen, Bewegung, Theater, Malerei, Bau, Handwerk, Brauchtum usw. Gerade die Blasmusik wird als Laienkultur gelebt und von tausenden Menschen nebst ihrem Beruf und ausserhalb von Kulturinstitutionen praktiziert. Sie alle tragen zu einer vielfältigen Blasmusikkultur bei und geben dies an nachfolgende Generationen weiter. Unterschätzt wird oft, dass genau das gemeinsame Musizieren verschiedene Lebenskompetenzen fördern und für den Menschen eine wichtige Ressource für die Bildung von Resilienz sein kann. Die Blasmusik und das Musizieren im Allgemeinen ist also mehr als „nur“ ein Kulturträger ...
Zur Person: Stefanie Hänni.
Funktion: Bereichsleiterin Musikschule Region Sursee, Leiterin Geschäftsstelle Schweizer Jugendmusikverband, Dirigentin Musikgesellschaft Mühlethurnen
Die Carte Blanche von Stefanie Hänni ist im Maestro 9/23 zu lesen, das im Unisono vom 10. September 2023 erscheinen wird.
((Bild: zvg))